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Eine praktische Einführung in Achtsamkeit am Arbeitsplatz

Warum das Trainieren unserer Aufmerksamkeit heute wichtiger ist als je zuvor

mindfulness - ancient wisdom for the modern world
mindfulness - ancient wisdom for the modern world

In den letzten Jahren ist „Achtsamkeit“ zu einem Schlagwort in der Arbeitswelt geworden – doch was bedeutet sie eigentlich, und warum ist sie so bedeutsam?


Achtsamkeit hat ihre Wurzeln in östlichen Traditionen, insbesondere im Buddhismus, wo sie als Mittel zur Entwicklung von Bewusstsein, Mitgefühl und Weisheit praktiziert wurde. Im Westen wurde Achtsamkeit und Achtsamkeitstraining zunächst durch die Arbeit von Jon Kabat-Zinn bekannt, der an der University of Massachusetts Medical School das Programm der Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) entwickelte. Ursprünglich konzipiert, um Patient:innen bei der Bewältigung chronischer Schmerzen und stressbedingter Erkrankungen und Depression zu unterstützen, öffnete MBSR die Tür für die wissenschaftliche Erforschung und Anwendung von Achtsamkeitstraining in verschiedenen Lebensbereichen – einschließlich Bildung, Gesundheitswesen und zunehmend auch der Arbeitswelt (De Bruin et al., 2015; Kabat-Zinn & Hanh, 2009).


Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit wird häufig definiert als „das Bewusstsein, das entsteht, wenn man absichtsvoll, im gegenwärtigen Moment und ohne zu urteilen aufmerksam ist“ (Kabat-Zinn, 2003).Das klingt einfach – in der Praxis bedeutet es jedoch, zu erkennen, wo sich die eigene Aufmerksamkeit gerade befindet, sie sanft zurückzuholen, wenn sie abschweift, und Gedanken, Emotionen sowie Körperempfindungen wahrzunehmen, ohne automatisch auf sie zu reagieren.


Achtsamkeit am Arbeitsplatz: Warum sie wichtig ist

Obwohl Achtsamkeitstraining ursprünglich im Westen als klinische Intervention entstand um Leid und Krankheitssymptome zu lindern, gilt Achtsamkeit heute als eine wertvolle Fähigkeit, um den schnellen, oft stressigen Anforderungen der modernen Arbeitswelt und dem modernen Leben zu begegnen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich eine stetig wachsende Forschungsbasis entwickelt. Zahllose Studien zeigen, wie Achtsamkeit Beschäftigte und Führungskräfte auf vielfältige Weise unterstützt:


1. Stressbewältigung und Wohlbefinden

Eine der deutlichsten Erkenntnisse der Organisationsforschung ist, dass Achtsamkeit mit niedrigerem Stress und höherem psychologischem Wohlbefinden einhergeht (Hülsheger et al., 2013; Lomas et al., 2019). Achtsamkeitstrainings im Arbeitskontext reduzieren Burnout, Angst und emotionale Erschöpfung.


2. Verbesserung von Fokus und Aufmerksamkeit

Achtsamkeitstraining fördert die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit gezielt zu steuern. Regelmäßiges Üben stärkt die Stabilität unserer Aufmerksamkeit – also die Fähigkeit, konzentriert zu bleiben und Ablenkungen zu widerstehen. Das ist besonders wertvoll in Arbeitsumgebungen mit häufigem Multitasking und Task Switching, d.h., viele Dinge gleichzeitig oder viele verschiedene Dinge in schnellem Wechsel zu tun (Vago & Silbersweig, 2012).


3. Unterstützung der Emotionsregulation

Achtsamkeit hilft uns auch dabei, Emotionen zu bemerken, sobald sie entstehen – ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen oder sie zu unterdrücken. Dadurch verbessert sich unsere Fähigkeit der emotionalen Regulation (Chambers et al., 2009). Das bedeutet, dass wir weniger reaktiv werden und besser in der Lage sind, in schwierigen Situationen oder bei zwischenmenschlichen Spannungen und Konflikten besonnen zu handeln.


4. Verbesserung von Selbstregulation und Verhalten

Da Achtsamkeit sowohl Aufmerksamkeit als auch emotionale Wahrnehmung schärft, verbessert sie automatisch menschliche Verhaltensregulation. Je achtsamer wir sind, desto häufiger handeln wir im Einklang mit unseren Werten und Absichten, anstatt impulsiv oder aus Gewohnheit zu reagieren. Im Arbeitskontext führt das zu besseren Entscheidungen, weniger Konflikten und achtsamer Kommunikation (Jones et al., 2019).


5. Stärkung von Führung und Beziehungen

Aktuelle Studien zeigen, dass Achtsamkeit auch die Führungskompetenz stärkt. Forschung von Tan, Peters und Reb (2023) weist darauf hin, dass Achtsamkeit positive Führungsverhaltensweisen – wie authentische und transformational führende Haltung – fördert. Achtsamkeitsbasierte Führung steht zudem im Zusammenhang mit größerem Vertrauen zur Führungsperson, mehr Teamzusammenhalt und besseren Leistungsergebnissen (Hawkes & Neale, 2020; Reb et al., 2014).


6. Förderung von Engagement, Sinn und Arbeitszufriedenheit

Achtsamkeit kann die Arbeitsmotivation, das Sinnerleben und die innere Verbundenheit zur Arbeit stärken. Wenn wir präsenter sind, erkennen wir die bedeutsamen Aspekte unserer Arbeit leichter, selbst wenn wir Routineaufgaben erledigen (Leroy et al., 2013). Das beugt Demotivation vor und unterstützt langfristiges Wohlbefinden am Arbeitsplatz.


7. Physiological Benefits: Beyond the Mind

Die Wirkung von Achtsamkeit reicht über den mentalen Bereich hinaus: Studien zeigen, dass Achtsamkeit Cortisolwerte senken, Schlafqualität verbessern und die physiologischen Stressreaktionen abpuffern kann (Brand et al., 2012). Diese körperlichen Effekte fördern eine nachhaltige Leistungsfähigkeit.


Erste Schritte: Kleine Routinen, große Wirkung

Die gute Nachricht: Man muss nicht den Job kündigen und stundenlang meditieren, um die Vorteile von Achtsamkeit zu erleben. Schon kurze, tägliche Übungen – etwa ein paar bewusste Atemzüge vor einem Meeting oder ein kurzer Check-in mit den eigenen Gefühlen vor dem Beantworten einer stressigen E-Mail – können viel bewirken.

Einfache, arbeitsalltagstaugliche Achtsamkeitsübungen:

  • Eine 3-Minuten-Atempause zwischen Aufgaben

  • Achtsames Gehen zum nächsten Meeting

  • Eine bewusste Pause, bevor man in einem angespannten Gespräch antwortet

  • Tagebuchschreiben oder bewusste Reflektion am Ende des Arbeitstags

Diese kleinen Momente der durch Achtsamkeit kultivierten Präsenz schaffen ein Arbeitsleben, indem wir uns geerdeter, absichtsvoller und erfüllter fühlen.


Reflektionsimpulse:


  • Wo verlierst du während deines Arbeitstages am häufigsten deine Präsenz?

  • Wo fällt es dir leicht, achtsam zu sein?



Bibliografie

Brand, S., Holsboer-Trachsler, E., Naranjo, J. R., & Schmidt, S. (2012). Influence of mindfulness practice on cortisol and sleep in long-Term and short-term meditators. Neuropsychobiology, 65(3), 109–118. https://doi.org/10.1159/000330362

Chambers, R., Gullone, E., & Allen, N. B. (2009). Mindful emotion regulation: An integrative review. Clinical Psychology Review, 29(6), 560–572.

De Bruin, E. I., Meppelink, R., & Bögels, S. M. (2015). Mindfulness in higher education: Awareness and attention in university students increase during and Aater participation in a mindfulness curriculum course. Mindfulness, 6(5), 1137–1142. https://doi.org/10.1007/s12671-014-0364-5

Hawkes, A. J., & Neale, C. M. (2020). Mindfulness beyond wellbeing: Emotion regulation and team‐member exchange in the workplace. Australian Journal of Psychology, 72(1), 20–30. https://doi.org/10.1111/ajpy.12255

Hülsheger, U. R., Alberts, H. J. E. M., Feinholdt, A., & Lang, J. W. B. (2013). Benefits of mindfulness at work: The role of mindfulness in emotion regulation, emotional exhaustion, and job satisfaction. Journal of Applied Psychology, 98(2), 310–325. https://doi.org/10.1037/a0031313

Jones, S. M., Bodie, G. D., & Hughes, S. D. (2019). The impact of mindfulness on empathy, active listening, and perceived provisions of emotional support. Communication Research, 46(6), 838–865.

Kabat-Zinn, J. (2003). Mindfulness-based interventions in context: Past, present, and future. Clinical Psychology: Science and Practice, 10(2), 144–156. https://doi.org/10.1093/clipsy.bpg016

Kabat-Zinn, J., & Hanh, T. N. (2009). Full catastrophe living: Using the wisdom of your body and mind to face stress, pain, and illness. Delta.

Leroy, H., Anseel, F., Dimitrova, N. G., & Sels, L. (2013). Mindfulness, authentic functioning, and work engagement: A growth modeling approach. Journal of Vocational Behavior, 82(3), 238–247. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2013.01.012

Lomas, T., Medina, J. C., Ivtzan, I., Rupprecht, S., & Eiroa-Orosa, F. J. (2019). Mindfulness-based interventions in the workplace: An inclusive systematic review and meta-analysis of their impact upon wellbeing. The Journal of Positive Psychology, 14(5), 625–640.

Reb, J., Narayanan, J., & Chaturvedi, S. (2014). Leading mindfully: Two studies on the influence of supervisor trait mindfulness on employee wellbeing and performance. Mindfulness, 5(1), 36–45. https://doi.org/10.1007/s12671-012-0144-z

Tan, N., Peters, E. K., & Reb, J. (2023). Effects of a mindfulness-based leadership training on leadership behaviors and effectiveness. Mindfulness, 14(9), 2181–2194. https://doi.org/10.1007/s12671-023-02209-1

Vago, D. R., & Silbersweig, D. (2012). Self-awareness, self-regulation, and self-transcendence (S-ART): A framework for understanding the neurobiological mechanisms of mindfulness. Frontiers in Human Neuroscience, 6, Article 296. https://doi.org/10.3389/fnhum.2012.00296

 
 
 

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